Arbeiten mit Schriften I: Beziehungskiste Gestalter & Schrift

Okt 27th, 2008 | By ralph.berger | Category: Allgemeines, Mikrotypographie

Synopsis: In einer unüberschaubaren Vielfalt sucht jeder Gestalter das besondere; auch bei den Schriften. Doch Vorsicht! Jeder Schrift hat ihren speziellen Charakter, den man erst verstehen muss, will man erfolgreich mit ihr arbeiten. Es gilt daher nicht beliebig das Außergewöhnliche zu wählen, sondern sorgfältig nach Schriften zu suchen die man wertschätzen kann und mit denen man dauerhaft arbeiten will. Man geht so eine Beziehung mit den Schriften ein. Manche werden Kollegen, manche gute Bekannte und wertvolle Freunde oder eben die Liebe deines Leben. Es bleibt der alte Satz: Schriftwahl ist zuallererst Charakterwahl.

Sie sind unser täglich Brot: Die Schriften. Auf Schritt und Tritt begleiten Sie unsere Arbeit als Gestalter. Inzwischen gibt es eine, auch für uns kaum mehr zu überblickende Vielfalt. Dabei beobachtet man ein interessantes Phänomen: Mag es auch 40, 50, oder 60.000 Schriften geben: Es sind immer wieder die gleichen die verwendet werden. Wer z. B. die die Merkmale der Schriften aus der Top100 Liste von Fontshop kennt, der wird sicherlich die Typen von 80-85% aller Druckwerke identifizieren können.

Oftmals wird diese Beschränkung kritisiert, immer nur das bekannte zu verwenden. Dies geschieht zurecht. Immer nur die sichere Variante wählen und Garamond oder Univers, Rotis oder Thesis heranziehen, ist sicherlich nicht der Gestaltung letzter Schluss, und ich erinnere mich an zahlreichen Diskussionen mit Kollegen und Kunden in denen ich eine Lanze für eine neue, unverbrauchte Schrift gebrochen habe. (Oder zumindest den Versuch dazu unternommen habe).

Schriften kennen- und nutzen lernen

Blickt man jedoch neutral auf die Sache, wird ein anderer Aspekt deutlich, der sehr gerne ausgeklammert wird: Man muss erst einmal lernen mit einer neuen Schrift umzugehen, und dass ist vielen zu mühsam und mancher Kunde bemerkt dann bei einer Präsentation, dass die gewählte Schrift durchaus anders, aber nicht unbedingt besser als das bekannte eingesetzt wird, der Entwurf ein wenig gekünstelt ist oder mit viel Brimborium etwas will was die Gestaltung dann doch nicht herzugeben vermag.

Arbeiten mit Schriften ist wie eine Beziehung: man muss sich erst einmal aneinander gewöhnen; die Eigenheiten des Gegenübers kennenlernen. Das ist dann aber vielen Designern doch zu kompliziert. Sie vertrauen auf die schlichte Aussage der Schriftenhäuser, die Schrift sei modern, umfangreich ausgebaut und vielfältigst einsetzbar: eben die eierlegende Wollmilchsau, die auch noch telefonieren, einkaufen, Kinder hüten und Kochen kann – auch in russisch, griechisch und bantu.

Dabei hat jede Schrift ein Eigenleben. Sicherlich, wir kennen die Kriterien über Laufweite und x-Höhen, Durchschuss und Zeilenfall. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Tagtäglich finde ich Beispiele, in denen einfach nicht hingeschaut, die Schrift nur nach dem Eindruck des Bildschrims «Gut zum Druck» gegeben wird und man sich hinterher wundert, dass das Ergebnis einfach nicht dem entspricht was man wollte. Sei es in einer einfachen Anzeige oder wie kürzlich zu lesen war, als die Leser der Zeitschrift Macwelt massiv Protest anmeldeten, dass die Brotschrift nach dem erfolgten Relauch schlicht zu klein war (und das trotz Andrucks und einer ganzen Reihe von Testentwürfen).
Irgendwann sieht man es einfach nicht mehr und es ist dann eine Sache der Schulung und der Disziplin, eine Sache der, im wahrsten Sinne des Wortes, Charakterbildung. Und das geht eben nicht mit eine großen Anzahl von unterschiedlichen Schriften, sondern es geht eben nur mit wenigen. Es ist eben wie in einer, nein es ist eine Beziehung, oder einer Freundschaft. Erst im Alltag erkennt man den wahren Charakter, kann die Eigenheiten wertschätzen, weiss um die Schwächen, lernt diese zu akzeptieren, kann sie dann auch ausgleichen, ihnen entgegenwirken oder lernt sie sogar zu mögen.

Beschränkung

Halten wir also Maß! Und suchen wir mit Leidenschaft nach den Schriften die für uns etwas besonderes darstellen, seien dies nun die allgegenwärtigen wie die Arial, Helvetica oder Garamond, oder Orchideengewächse wie Koch-Antiqua, Faust oder Dante.

Synopsis: In the tremendous variety of creation, design looks for the extraordinary; especially in type. But you have to concern to the characteristics of character. It is impossible to handle type on the short run, they are to specific. Use of type is like the searching and finding of good relationship. Chose the alphabets You want to work with like You chose Your companions, friends or the love of your life.

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