Schriftproben – gedruckt

Jul 23rd, 2008 | By ralph.berger | Category: Rezension

Es ist in Mode gekommen neue Schriften nur noch im Internet zu präsentieren, oder, wenn man Glück hat, gelingt die Platzierung bei einem Wettbewerb und damit in einer Publikation, Katalog oder Zeitschrift.
Dies mag für Display-Schriften noch angehen, spätestens bei einem Corporatefont, bzw. Mengensatzschrift wirkt dies gelinde gesagt ulkig. Schließlich soll ja gerade die gedruckte Qualität den potentiellen Käufer überzeugen. Aktuell gibt es zwei Beispiele die dieser Anforderung gerecht werden.

Die German Type Foundry legt mit der Einführung der Toshna eine Broschüre als Schriftmuster vor, wie man dies auch aus seligen Bleisatzzeiten noch kennt. Und Fontshop bietet mit dem Fontbooklet No. 1 eine gedruckte Übersicht über eine aktuelle Auswahl von 13 interessanten Schriften.

Toshna: edle Schönheit aus dem Osten

Die Toshna ist ein Neuinterpretation der Tschörner-Antiqua, die 1955 für den Handsatz und die Linotype von Hellmuth Tschörner (1911—1979) entworfen wurde. Das sie hierzulande praktisch unbekannt ist liegt daran, dass sie in der DDR bei Typoart in Dresden herauskam. Sie wurde neben der Garamond-Variante von Herbert Thannhaeuser zu einer der wichtigsten Mengensatzschriften der Deutschen Demokratischen Republik.

In der 32seitigen Broschüre kann man sich von der Qualität der «gefühlvollen Neuinterpretation und vorsichtigen Weiterentwicklung» (GTF) überzeugen. Die Schrift liegt, wie heute bei OT-Schriften üblich in drei Größenvarianten vor (book, regular/italic und display) und überzeugt besonders im Fließtext mit kleinen Graden durch hervorragende Ausgeglichenheit und Lesequalität. Hier ist durchaus ein Wow! erlaubt. Die Gleichmäßigkeit bietet wirklichen Bleisatzcharakter; ein seltener Genuss für das Auge. Nicht ganz so perfekt zeigt sich der Displayschnitt, dem man den der Zeitgeschmack der frühen 1950er Jahre deutlich anzumerken ist. Die Versalien haben noch den leicht-indivualen Charakter der Buchkunst-Ära und sind zumindest in dem als Beispiel herangezogenen Satzmuster, etwas zu kompress gesetzt — ein Problem das sich bei Neuinterpretationen immer wieder zeigt. Hinzu kommt ein etwas spitzer Charakter, der dem Original entspricht aber auf dem hier verwendeten Werkdruckpapier (Schleipen 2,0) keine Schwierigkeiten bereitet, bei gestrichenen Formaten aber zu berücksichtigen sein wird.

Insgesamt ein vorbildliches Beispiel moderner Schriftenwerbung. Ein kleiner Wermutstropfen ist die Klammerheftung, hier wäre eine Fadenheftung authentischer gewesen. Das Schriftmuster kann bei German Type Foundry bestellt werden. Die Auflage ist auf 500 limitiert und numeriert. Preis: € 10,—.

Fontbooklet No. 1

Fontshop beschreitet einen anderen Weg. Die Idee wurde bei Fontshop USA konzeptioniert und umgesetzt. Nun liegt die deutsche Version vor (Texte noch englisch, Einleitung deutsch). Ziel ist es eine Auswahl wichtiger Werksatzschriften mit Textbeispielen vorzustellen und so dem Anwender ein gedrucktes Vergleichsmuster an die Hand zu geben. Hierzu wurden die Seiten zusätzlich horizontal perforiert, so dass immer zwei Schriften direkt miteinander verglichen und somit auch auf Schriftmischungen geprüft werden können. Mit dem Fontshop-üblichen 1:2 Format (150 × 300 mm) entstehen so je vier miteinander vergleichbare Quadrate.

Was sich hier die große Stärke darstellt, ist zugleich auch ein nicht zu unterschätzende Schwäche: Jede Schrift ist nur mit kurzen Textpassagen vertreten, in einigen Fällen in verwirrend vielen Graden und Schnitten um möglichst alles zu zeigen; damit kommt man kaum über einen üblichen Mustertext hinaus und dafür brauche ich eigentlich keine gedruckte Form. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Und was beim Toshna-Schriftmuster genau richtig gemacht wurde — die Wahl des passenden Bedruckstoffs — zeigt gnadenlos das eben nicht jede Schrift mit jedem Papier funktionieren kann. Hier hat CI-Konformismus über kluge Kompromissfähigkeit (satiniertes Papier) gesiegt. Schade.

Einen sicherlich großen Verdienst kann man dem Fontbooklet sicherlich aber keinesfalls absprechen. Es kann sehr einfach als Supplement zum Fontbook verwendet werden. Und hier sehe ich auch die wirkliche Bestimmung. Der mühselige Versuch sich über Neuerscheinungen auf dem Laufenden zu halten wird erfreulich vereinfacht. Mit einem regelmäßig laufenden Ergänzungswerk bekommen Agenturen und Verlage ein hervoragendes Planungsinstument an die Hand das das Arbeiten ähnlich vereinfachen kann, wie es schon die Papierdistributoren mit ihren großen Musterkollektionen bereit erfolgreich vorexerziert haben.

Das Fontbooklet No. 1 kann bei fontshop kostenlos bestellt werden. Herunterladen als pdf-Datei ist ebenfalls möglich.

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One comment
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  1. Tolle Beobachtung, die ich an sich unterstreiche. Das Toshna-Muster habe ich auch, es hat mir viel Freude bereitet und begeistert umso mehr, als dass die GTF eine recht kleine Foundry ist. Am Schriftmuster sieht man jedoch, wie viel Liebe hinter der Arbeit steckt.
    Bereits bei der Konzeption des Fontbooklets [bei der ich im Frühjahr zum Teil dabei sein durfte] wollte ich gern schon noch mehr Schriften und/oder mehr Textbeispiele vorgestellt wissen. Leider ist diese Möglichkeit in diesem begrenzten »Booklet«-Rahmen nicht gegeben, einige Kompromisse müssen dabei einfach eingegangen werden. Ich halte das Projekt dennoch für sehr gelungen und freue mich, dass es jetzt auch in Deutschland erhältlich ist.

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