Buchstaben kommen selten allein

Jul 29th, 2008 | By ralph.berger | Category: Rezension

Auf die Frage „Was ist Typografie und wie macht man das?“ versucht ein wachsende Zahl von Büchern die passende Antwort zu geben. Eines davon: Buchstaben kommen selten allein von Indra Kupferschmid. Nur eines von vielen?
Das Ziel scheint jedenfalls Autorin und Verlag(en) nicht ganz klar zu sein. Der Untertitel „Ein typografisches Handbuch“ suggeriert ein umfassendes aber kompaktes Lehr- und Nachschlagewerk, wogegen der Werbetext von einem „typografischen Leitfaden“ spricht. In der 2002 von der Stiftung Buchkunst ausgezeichneten Auflage (damals erschienen im Universtätsverlag Weimar) heißt es „Ein Werkstattbuch“. Die beiden letzteren treffen wohl eher zu.

Gutes Konzept schöne Gestaltung

Verschiedene Dinge heben den kompakten Band von der Menge der Fachbücher zum gleichen Thema ab: Ein griffiges Konzept das klar strukturiert durch die wichtigsten Themen führt und eine, von der Autorin mit viel Liebe zum Detail umgesetzte Gestaltung.
Sechs Hauptkapitel decken alle wissenswerten Aspekte ab. Dabei zeigt das Buch Mut zum Weglassen. Nicht alles kann und soll erschöpfend behandelt werden. Bereiche werden in ein, zwei oder drei Seiten so umrissen, dass die Kernaussage getroffen wird. Wer dann das Thema vertiefen möchte, erhält in einer kommentierten Literaturliste am Ende jeden Kapitels weiterführende Titel genannt. Vorbildlich!
Dieses Konzept geht leider nicht immer auf. Wer weglässt, läuft Gefahr zu viel zu verschweigen oder, und das passiert hier ab und an, die Informationen unscharf werden zu lassen um dem Prinzip zu genügen. Ein Beispiel ist das Thema Schriftenklassifikation. Hier beschreibt die Autorin sehr ausführlich ein von ihr selbst entwickeltes modernes Matrix-Klassfikationssystem, vernachlässigt dabei bewusst klassische Einteilungen wie Vox und DIN 16518. Diese werden zwar genannt, jedoch wird der Leser mit der unzureichenden Info „historische Einteilung“ (DIN) und „schwierige Gruppennamen“ (Vox) ohne die Möglichkeit eines Vergleiches allein gelassen. Hinzu kommt, das die Matrix unerfahrene Leser vermutlich mit den Begrifflichkeiten und ihrer Komplexität überfordert.

Unzulängliches

Es gibt auch klare inhaltliche Fehler, die weniger der Autorin, als dem Lektorat des Verlages anzulasten sind. In einem Typografiebuch darf nun einmal nicht stehen, dass sich gebrochene Schriften um 1450 entwickelt haben, auch dass das Prinzip der Brechung die runden Formen der karolingischen Minuskel wegen der höheren Schreibgeschwindigkeit ersetzte ist meines Wissens nirgends belegt (Richtig wäre: Der Einfluß der gotischen Architektur; Platzersparnis der enger laufenden Textura – ein wichtiges Argument, da der Beschreibstoff Pergament Mangelware war). Überhaupt Schriftgeschichte: Da wird die Römischen Capitalis zur Auszeichnungsschrift der Karolingische Minuskel (richtiger: Rustika, Unziale) und die Humanisten entdeckten im 15. Jahrhundert die Antiqua (richtig: 13. Jahrhundert, im 15. gab es ja schon den Buchdruck). Dies ist deswegen ärgerlich, da die Bücher mit den korrekten Informationen gleichzeitig als Referenzen genannt werden. (u.a. Bruckmanns Handbuch der Schrift und Schriftkunst von Albert Kapr).
Noch ein Wort zu den Literaturangaben: Auch hier ein hervorragender Ansatz, der hie und da ein wenig zu kurz greift: Wohl werden eine stattliche Anzahl von Büchern benannt, dies sind auch die Richtigen, aber genau diese Information kommt so beim Leser nicht immer an, da die Kommentare zu allgemein gehalten sind. Hier kann das Prinzip englischer Wissenschaftsliteratur als Vorbild dienen: Ein oder zwei (bei wiederstreitenden Themen) Referenztitel, ausführlich erläutert, davon abgeleitet wichtige Werke zu Kernthesen; also insgesamt maximal sechs bis acht Titel je Kapitel, das genügt. Am Ende eine Bibliografie, die Kapitelempfehlungen dann um Nachschlagewerke und weiterführende, nicht zwingende aber gute Titel ergänzt.

Fazit

Doch dies sind Details die den Experten auffallen und so bleibt ein positives Fazit: Es ist ein Buch, aus dem ich Neues erfahren habe. Von der Masse der erhältlichen Titel hebt es sich aufgrund des guten Konzepts, der hervorragenden „Useability“ und nicht zuletzt der schönen Gestaltung erfreulich ab. Als Einstieg ist es bedingt zu empfehlen, da es dort verknappt, wo es nur der Fachmann bemerkt und damit der Anfänger ab und an auf eine falsche Fährte geschickt wird. Dieser Zielgruppe würde ich eher ein Werk des einen oder anderen bekannten Typgraphen ans Herz legen. Ist ein Buch von Aicher, Tschichold oder Willberg auch oft polemischer, schürt es doch stärker die Begeisterung.

Indra Kupferschmid: Buchstaben kommen selten allein. Niggli Verlag, Sulgen/Schweiz. ¹2004. € 26,—

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